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„Herein, wenn’s (k)ein Schneider ist –

Das Schneiderhandwerk im Wandel der Zeit“

25.05. - 21.09.2008

Ich zitiere: Die Schneider rühmen sich das älteste Handwerk in der Welt zu seyn, indem sie dasselbe aus dem Paradiese herleiten, und Gott zum Urheber desselben angeben; auch werden sie in der heiligen Schrift weise Leute genannt; denn im 2 Buch Moses., Kap. 28, V. 3 steht: „Und du sollst reden mit Allen, die eines weisen Herzens sind, die ich mit dem Geiste der Weisheit erfüllt habe, dass sie Aaron Kleider machen zu seiner Weihe, dass er mein Priester werde.


Nachzulesen in der ökonomischen Enzyklopädie von Johann Georg Krünitz, die zwischen 1773 und 1858 entstanden ist.

Historisch gesehen entstand das Schneiderhandwerk im 13. Jahrhundert. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Kleidung für die Familie von der Familie gefertigte, entweder von den Frauen oder auf großen Fronhöfen von den Leibeigenen oder Sklaven. Die Kleidung war einfach und zweckmäßig.


Mit dem Entstehen der Städte begann auch ein Wandel in der Bekleidung. Man zeigte, was man hatte. Sprich: die Kleidung wurde zum Statussymbol. Kleiderordnungen in den Städten regelten, wer was tragen durfte und in welcher Qualität. Und was das Kleidungsstück kosten durfte. Die Kleiderordnung sollte auch verhindern, dass sich die Bürger aufgrund zu aufwendiger Kleidung verschuldeten. Verstieß ein Bürger gegen die Kleiderordnung, so wurde nicht nur der Träger bestraft, sondern auch der Schneider, der das Gewand genäht hatte.

Das Schneiderhandwerk war ein Lehrberuf. Lehr- und Gesellenjahre dauerten insgesamt vier bis sechs Jahre, bevor das Meisterstück abgelegt werden konnte. Die Meisterprüfung war wichtige, denn nur ein Schneidermeister durfte Stoffe zuschneiden. Stoffe waren ein wertvolles Gut. Sie herzustellen war, bevor es mechanische Webstühle gab, ein mühsames Geschäft.


Mit Stoffen handeln oder Stoffe bevorraten, war dem Schneider verboten. Er verarbeitete die Stoffe, die die Kundschaft brachte oder die er beim Tucherer/Tuchhändler kaufte.


In den mittelalterlichen Städten waren die Schneider in der Zunft organisiert. Es herrschte Zunftzwang.

Eine Zunft ist eine Körperschaft (Vereinigung), die die Regeln für den jeweiligen Handwerksberuf aufstellt, überwacht und gemeinsame Interessen vertritt.


Zu den Regeln gehörten unter anderem: Ausbildungsdauer, Arbeitszeit, Anzahl der Lehrlinge und Gesellen, Qualität des hergestellten Produktes, Festsetzung des Preises u. a.

Für die Schneider in den Dörfern bestand kein Zunftzwang. Sie wurden geduldet, durften jedoch nicht für die Bewohner der Städte arbeiten.


Das Handwerkszeug erforderte keine großen Investitionen. Das teuerste waren sicherlich die Scheren.

Ein Kleidungsstück nach Maß von Hand zuzuschneiden und zu nähen dauerte zwei bis drei Tage oder auch mehr, wenn es sehr aufwendig war. Nach der Erfindung der Nähmaschine ging es dann schneller. Hier ein Vergleich:

Bei einem Wettbewerb gegen geübte Handnäherinnen nähten die Näherinnen 50 Stiche pro Minute, die Nähmaschine von Elias Howe entwickelte, konnte jedoch schon 300 Stiche pro Minute. Das war so um 1840 und des handelte sich um eine Nähmaschine, deren Technik noch in den Kinderschuhen steckte. Heute sind die Nähmaschinen um ein Vielfaches schneller.


Das arme Schneiderlein, das wir aus dem Märchen kennen, war auch im Alltag bittere Realität. Nicht immer ernährte der Schneiderberuf den Schneider und seine Familie, auch wenn alle mithalfen. Nur die Schneider in der Stadt mit zahlungskräftiger Kundschaft hatten ein gutes Auskommen.


Die Schneider mit weniger zahlungskräftiger Kundschaft – in der Stadt und in den Dörfern - betrieben oft nebenbei eine kleine Landwirtschaft, vielleicht mit einer Ziege. Vielleicht kommt daher auch der „Schneider meck, meck, meck“! Oder sie hatten anderen Nebenerwerb, etwa als Garnaufkäufer, Barbier oder Tagelöhner.


Arbeitete der Schneider als Hausschneider, das heißt, ging er zur Kundschaft ins Haus und nähte vor Ort, wurde er von der Kundschaft verköstigt.


Aus einer Schneiderrechnung aus dem Jahre 1887, die uns Heinrich Brehmer aus Lathwehren geliehen hat, können wir sehen, dass der Schneider Noltemeier aus Lathwehren mehr als ein Jahr auf seinen Lohn gewartet hat, denn die Rechnung listet Schneiderarbeiten vom 10. April 1886 bis 25. Dezember 1887 auf. Da kann man nur hoffen, dass Schneider Noltemeier auch als Hausschneider gearbeitet hat und zwischendurch verköstigt wurde.


Was gibt es in unserer Ausstellung zu sehen:


Unser Museum hat nicht nur eine Schustertradition, sondern auch eine Schneidertradition. Schneider Ernst Ruhkopf lebte und arbeitet um 1900 hier im Hause. Seine Werkstatt hatte er in dem Raum, der heute unsere „Gute Stube“ ist. Dort finden Sie auch Einzelheiten zu Schneider Ruhkopf.


Erinnern möchten wir auch an die Schneidertradition in Seelze. Zwischen 1850 und 1890 gab es in den Dörfern der heutigen Stadt Seelze viele Schneider und Näherinnen (und noch mehr Leineweber)! Wir wissen dies aus den Klassensteuerlisten, die noch im Stadtarchiv vorhanden sind. Karl-Heinz Pfeiffer hat sich die Mühe gemacht und die Klassensteuerlisten dieser Zeit ausgewertet. Das Ergebnis finden Sie in einer Mappe auf der Vitrine.

Was lag bei so viel Schneidertradition näher als einmal das Schneiderhandwerk auszustellen.



Ernst Bock hat uns die Geschichte über einen Hausschneider aufgeschrieben. Aus Erzählungen im Vorfeld der Ausstellung weiß ich, dass es noch in den 1930er und 1940er Jahre Hausschneiderinnen in Seelze gegeben hat.


Der Schneiderberuf hat sich im Laufe der Zeit stark verändert. Durch die Gewerbefreiheit und das Aufkommen des Verlagssystems mit Konfektionsware im 19. Jahrhundert gerieten die selbständigen Schneidermeister immer mehr in Abhängigkeit von kapitalkräftigen Händlern und Fabrikanten. Gedruckte Schnittmuster und die Einführung der Nähmaschine um 1860 machten es möglich, dass die Schneiderei von weitgehend ungelernten Personen durchgeführt werden konnte.

Zuschneide-, Näh- und Knopflochmaschinen erleichterten die Ausbreitung der Konfektionsindustrie und verdrängten das Schneiderhandwerk fast ganz.


Übrig geblieben sind neben einer Vielzahl von einfachen Änderungs- und Reparaturschneidereien heute nur noch wenige kleine Handwerksbetriebe, die sich auf die relativ teure Maßbekleidung spezialisiert haben.


Dies ist ein ganz kurzer Überblick über das Schneiderhandwerk

Begleitprogramm zur Ausstellung:

Am 17. August zeigt Herr Cortnum seine Knopfsammlung.

Am 31. August um 15 Uhr bietet Frau Turek eine Führung durch die Ausstellung an.

Am 14. September kann man Frau Chirinian beim Schneidern zusehen.

Am 21. September zeigt Herr Cortnum noch einmal seine Knopfsammlung.

"Wissenswertes über Knöpfe"


Der Knopf als Ziergegenstand ohne Knopfloch war bereits in der Antike bekannt. Knöpfe mit Knopflöchern (statt Schlaufen) wurden im 13. Jh. in Deutschland erfunden. Die neue Methode verbreitete sich bis zum 14. Jh. rasch in Europa.


Die Knopfdose, fast jede Hausfrau hat sie. Hier sammeln sich Knöpfe, die vielleicht einmal gebraucht werden, die man gefunden hat oder die man einfach behalten will, weil sie schön sind. In der Sonderausstellung steht stellvertretend für alle Knopfdosen die von Margret Held.


Für den Knopfsammler Jürgen Cortnum aus Empelde ist die Knopfdose eine aufregende Sache. Seit zwei Jahren sammelt er Knöpfe und hat sich mittlerweile ein großes Fachwissen erworben. Bei seinem Besuch in der Ausstellung war er ganz fasziniert von den vielen Knöpfen und spontan bereit am 17. August 2008 von 15.00 – 17.00 Uhr, über Knöpfe zu plaudern. Ob Ösen- oder Lochknopf, ob Horn, Metall oder Glas. Die Vielfalt der Knöpfe ist schier unerschöpflich.


Viel Interessantes und Wissenswertes rund um den Knopf gibt es zu erzählen. Auch in dem ausgestellten Nähkasten hat er Besonderheiten gefunden.


                                 www.heimatmuseum-seelze.de     

Aus seiner Sammlung wird er einige schöne Stücke wie z. B. Posamentenknöpfe mitbringen. Die Herstellung dieser Knöpfe ist ein fast vergessenes Handwerk.




Bringen sie ihren Lieblingsknopf vorbei oder den Knopf, über den sie schon immer einmal etwas wissen wollten. Herr Cortnum freut sich auf viele Fragen rund um Knöpfe.


Text: Erika Turek

Warum eine Ausstellung über das Schneiderhandwerk?

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